Plattform-Start-ups

REE-Plattform mit 4 Eckmoduln   
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy REE Automotive Ltd. [Homepage])

Management Summary

Plattform-Start-ups sind keine Fahrzeughersteller sondern System-Lieferanten, d.h. sie verkaufen keine Autos sondern BEV-Antriebssysteme. Ähnlich wie bei den Solar-Start-ups klingt diese Geschäftsidee erst einmal interessant, bei weiterem Nachdenken lassen sich aber schnell die Grenzen dieses Konzepts erkennen. 

Das elektrische Antriebssystem ist die Schlüsselkomponente eines Batterie-elektrischen Fahrzeugs, mit der die wesentlichen Leistungsmerkmale eines BEV-Modells festgelegt werden. Dazu gehören insbesondere die elektrische Reichweite und die Schnellladefähigkeit.

Kein großer Fahrzeughersteller wird sich bei einem so kritischen System in die Abhängigkeit eines noch jungen Plattform-Start-ups begeben wollen. Fast alle großen Fahrzeughersteller, egal ob Start-up oder Traditionsunternehmen, entwickeln den elektrischen Antriebsstrang selbst und lassen höchstens einzelne Komponenten wie die Batteriezellen oder den Elektromotor zuliefern. 

Insofern können Plattform-Start-ups höchstens Marktsegmente mit kleinerem Volumen bedienen wie sie typischerweise im LKW- und VAN-Bereich zu finden sind. Stückzahlen im Millionenbereich sind mit diesem Geschäftsmodell unwahrscheinlich. 

Gleichzeitig können Fahrzeug-Hersteller selber zu Plattform-Lieferanten werden. Bespiele sind VW (Lieferant) und Ford Europa (Kunde), Geely (Lieferant) und Izera (Kunde) und seit kurzem auch Xpeng (Lieferant) und VW (Kunde). 

Durch die sehr hohen Stückzahlen sind VW und Geely in der Lage, ihre eigenen Plattformen zu viel günstigeren Preise anzubieten, was die Wettbewerbssituation für die Plattform-Start-ups zusätzlich erschwert.  

Aus den oben genannten Gründen sind uns weltweit nur 2 Plattform-Start-ups bekannt. Beide Hersteller setzen auf Steer-by-Wire-Systeme, die zusätzlich ein Sicherheitsrisiko darstellen können.  

Das US-amerikanische Start-up CANOO hat eine modulare BEV-Plattform mit festem Achsabstand von 2,85 m entwickelt, in der alle Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs inklusive der HV-Batterie integriert sind. Mangels Plattform-Kunden baut CANOO jetzt selber Fahrzeuge in überschaubarer Stückzahl auf dieser Plattform auf, unter anderem einen Transporter für Walmart.  

Das israelische Start-up REE wählt einen noch radikaleren Ansatz. REE hat sogenannte Eckmodule entwickelt, in die Reifen, E-Motor, Leistungselektronik, Rad-Aufhängung und Antriebswellen in kompakter Bauform integriert sind. Damit sind Plattformen mit beliebigen Radständen und Spurbreiten darstellbar.  Die Technologie wird aktuell in Lkw-Projekten evaluiert, Aufträge in höherer Sückzahl sind uns nicht bekannt.  

BEV-Antriebsplattform von CANOO   
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of Canoo Technologies Inc. [Press Release])

BEV-Antriebsplattform von CANOO   
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of Canoo Technologies Inc. [Press Release])

Die BEV-Plattform von CANOO hat einen festen Achsabstand von 2,85 m, in der alle Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs inklusive der HV-Batterie integriert sind. Durch den festen Achsabstand ist die Plattform weniger flexibel als die von REE, die auf einen variablen Achsabstand setzt. Die Plattform lässt sich als 2- oder 4-Radantrieb konfigurieren, die HV-Batterie kann eine Kapazität von 20 – 80 kWh haben. Die Lenkung erfolgt über ein Steer-by-Wire-System, d.h. es existiert keine mechanische Verbindung mehr zwischen Lenkrad und Lenkung. 

Auf der Plattform lassen sich verschiedene Fahrzeugtypen wie Transporter oder Pick-up-Truck aufsetzen. Im August 2022 hat CANOO verkündet, das Waltmart 4.500 Lieferfahrzeuge bestellt hat, die auf der Plattform aufsetzen. Mit dieser Stückzahl liegt CANOO um mehreren Größenordnungen hinter der Stückzahl anderer BEV-Start-ups.

REE-Plattform mit 4 Eckmoduln   
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy REE Automotive Ltd. [Homepage])

Demo-Fahrzeug mit Morgan-Olsen-Aufbau
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of REE Automotive Ltd. [Homepage])

REE-Automotive wurde 2019 als israelisches Start-up von Daniel Barel and Ahishay Sardes gegründet wurde, beide hatten eine Rollstuhl-Firma erfolgreich aufgebaut. REE hat kompakte Eckmodule konzipiert, in der alle Antriebsstrangkomponenten, also Reifen, E-Motor, Leistungselektronik, Rad-Aufhängung und Antriebswellen, integriert sind. Die Plattform ermöglicht beliebige Radstände und Spurbreiten und kann somit sehr flexibel für Pkw- und LKW-Aufbauten eingesetzt werden; jedes Rad ist einzeln lenkbar. E-Antrieb, Bremse und Lenkung werden über elektronische Steuersignale angesprochen, d.h. es existiert keine mechanische Verbindung mehr zwischen Lenkrad und Lenkung bzw. Bremspedal und Bremse (X-by-Wire-System)

Für Nutzfahrzeuge der US-Kategorien Class 5-7 (Medium Duty 8845kg – Heavy Duty 15.000 kg) wurde von REE eine 400-Volt-Plattform inklusive HV-Batterie konzipiert. Auf Basis dieser Plattform hat Ree in Kooperation mit dem Aufbauhersteller Morgon Olsen ein Class-5-Lieferfahrzeug als Technologiedemonstrator aufgebaut, das sich Dank Hinterachslenkung durch besondere Agilität und einen kleinen Wendekreis auszeichnet.