eVTOL-Start-ups für Tragflächen-Senkrechtstarter


Tragflächen-Senkrechtstarter von Joby Aviation
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of Joby Aviation. (c) [Media Kit])

Management Summary

Tragflächen-Senkrechtstarter haben im Gegensatz zu Mulitcoptern Flügel, die im Vorwärtsflug Auftrieb erzeugen und so das Flugzeug in der Luft halten. Die Technik von Tragflächen-Senkrechtstartern unterscheidet sich damit deutlich von den Multicoptern, bei denen vertikale Propeller für Auftrieb sorgen. 

Die meisten Tragflächen-Senkrechtstarter werden für den kommerziellen Flugverkehr mit einer Kapazität von 4-6 Passagiere plus Pilot entwickelt. Es gibt aber auch Start-ups, die kleinere Tragflächen-Senkrechtstarter für Privatkunden für 1-2 Passagiere entwickeln.

Tragflächen-eVTOL können mit 4 verschiedenen Propeller-Konfigurationen realisiert werden, in Abhängigkeit von der gewählten Propeller-Variante unterscheidet sich die Flugbahn beim sogenannten Transitionsmanöver

Dieses Manöver bezeichnet den Übergang von dem Vertikal- in den Horizontflug nach dem Start, es muss von allen Senkrechtstartern sicher beherrscht werden. Selbstverständlich gibt es auch ein Transitionsmanöver für die Landung, dabei geht es um Übergang vom Vorwärtsflug in den senkrechten Sinkflug.

Abb. 1 – Übersicht Start-ups für Tragflächensenkrechtstarter – Amerika  

Abb. 1 gibt eine Übersicht über die bekanntesten Tragfllächen-Senkrechtstarter-Start-ups auf dem amerikanischen Kontinent, die fast alle Fluggeräte für den kommerziellen Luftverkehr entwickeln.

Die US-amerikanischen Firmen Archer AviationBeta Technologies und Joby Aviaton erproben bereits seit längerem ihre flugfähigen Prototypen. Alle 3 Unternehmen sind Partnerschaften mit großen Konzernen eingegangen, darunter finden sich namhafte Unternehmen wie z.b. Stellantis (Auftragsproduzent von Archer), United Airlines (Kunde von Archer), UPS (Kunde von Beta), Delta Airlines (Investor und Kunde von Joby) sowie Toyota (Beteiligung und Technologiepartner von Joby).

Die US-Start-Ups Overair und Wisk Aero sowie das kanadische Unternehmen Jaunt und das brasilianische Start-up EVE Air Mobility befinden sich noch in der Entwicklungsphase, erste Testflüge sind erst 2023ff zu erwarten. Auch diese „Nachzügler“ haben teilweise sehr namhafte Partner, Wisk Aero ist ein Tochterunternehmen von Boeing und EVE Air Mobiliy von Embraer

Das US-Start-Up Opener adressiert Privatkunden und entwickelt einen Einsitzer, der bereits mehrfach auf Flugshows in den USA vorgeführt wurde. 

Eine Besonderheit ist das von ASKA geplante Flugauto, welches sowohl wie ein Pkw mit 4 Passagieren auf der Straße fahren als auch nach Ausklappen der Flügel fliegen kann. Die Entwicklung und Zertifizierung ist von 2023 bis 2025 geplant, die ersten Kunden-Auslieferungen sollen ab 2026 erfolgen.         

Abb. 2 – Übersicht Start-ups für Tragflächensenkrechtstarter – Europa und Asien  

Auch in Europa und Asien wird an Tragflächen-Senkrechtstartern gearbeitet, auch hier mehrheitlich mit dem kommerziellen Luftverkehr als Zielmarkt.

Die Firmen Lilium und Autoflight sind mit ihren flugfähigen Prototypen bereits in der Test- und Zertifizierungsphase

Das deutsche Start-up Lilium bezeichnet seinen Modell auch als eJet, es ist weltweit das einzige eVTOL mit elektrischen Düsentriebwerken. Lilium hat mit einer Reihe von Flugdienstbetreibern in Europa und Asien Partnerschaftsabkommen abgeschlossen, der Start des Flugbetriebs ist für 2025 geplant. 

Die chinesische Neugründung Autoflight hat eine Tochtergesellschaft am Augsburger Flughafen gegründet, um Flugtests in Deutschland durchführen zu können. Auch bei Autoflight soll der gewerbliche Flugverkehr in 2025 beginnen.

Vertical AerospaceSupernal und Pantuo arbeiten noch an flugfähigen Prototypen. 

Unter diesen 3 Unternehmen ist die britische Firma Vertical Aerospace am weitesten fortgeschritten, konnten doch 2022 Flugtests mit einem verkleinertem Modell durchgeführt werden. 

Das südkoreanische Unternehmen Supernal hat mit Hyundai einen sehr potenten Partner, will sein Fluggerät aber erst 2028 auf den Markt bringen. 

Beim chinesischen Start-up Pantuo ist aufällig, das alle News auf der Homepage von 2021 stammen, es ist daher zu vermuten, das dieses Unternehmen die Arbeiten an seinem eVTOL-Modell eingestellt hat. 

Sky Fly und Air EV adressieren Privatkunden, beide Unternehmen entwickeln kleine zweisitzige, Tragflächen-Senkrechtstarter, die sich aktuell in der Flugerprobung befinden. 

Sowohl das britische Start-up Sky Fly als auch das israelische Start-Up Air EV haben bereits Ihre Homepage für Vorbestellungen geöffnet, die Auslieferung soll bei beiden Unternehmen ab 2024 erfolgen. 

Technik von Tragflächen-Senkrechtstartern

Die Technik von Tragflächen-Senkrechtstarten ist aufwendiger als bei den flügellosen Senkrechtstartern (Multicopter):

  • Vertikale Propeller ermöglichen ähnlich wie bei Multicoptern den senkrechten Start und die eine senkrechte Landung.
  • Horizontale Propeller sorgen für Vortrieb und ermöglichen den Vorwärtsflug
  • Beim Vorwärtsflug erzeugen die Flügel Auftriebskräfte und halten das Fluggerät in der Luft.

Tragflächen-Senkrechtstarter haben im Vergleich zu Multicoptern eine deutlich höhere Reichweite, da die Vertikal-Propeller beim Vorwärtsflug abgeschaltet werden können. Die maximale Reichweite wird wesentlichen durch die aktuelle Technologie der Lithium-Ionen-Zellen bestimmt, bei der in den nächsten Jahren noch mit deutlichen Fortschritten zu rechnen ist.

Allerdings sind Tragflächen-eVTOL bezüglich ihrer Manövrierfähigkeit eingeschränkter als Multicopter und können nur sehr begrenzt rückwärts oder seitwärts fliegen.   

Auch bei Tragflächen-Senkrechtstartern ist das Antriebssystem grundsätzlich redundant ausgelegt, d.h. der Ausfall eines oder mehrerer Propeller führt nicht zu einem Absturz führt, weil die verbleibenden Propeller immer noch für genug Auftrieb sorgen. 

Propeller-Konfigurationen

Abb. 3 – PK1: Klapp-Propeller (Joby)   |   PK2: Vertikal- & Horizontal-Propeller (Beta)   |   PK3: Klapp- & Vertikal-Propeller (Archer)   |   PK4: Geneigte Vertikal-Propeller (Air EV)
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of    (1) 
Joby Aviation. (c) [Media Kit]   |   (2) Beta Technologies Inc. [Media Kit]   |   (3) Archer Aviation Inc. [Media Kit]   |   (3) AIR VEV Ltd. [Media Kit])  

Es gibt 4 verschiedene Propeller-Konfiguration (PK) bei Tragflächen-Senkrechtstartern.

Für alle 4 Varianten finden Sie Beispiele in der Abb. 3, zur Vergrößerung klicken Sie einfach auf die Bilder.  

  1. PK1 – Alle Propeller sind von einer vertikalen in eine horizontale Position klappbar
    In vertikaler Position ermöglichen die Propeller den senkrechten Start, für den Vorwärtsflug werden die Propeller in die horizontale Position geklappt. 
  2. PK2 – Propeller haben eine dedizierte vertikale oder horizontale Ausrichtung
    Die Vertikal-Propeller werden für den Start aktiviert, die horizontalen Propeller sorgen für den Vortrieb beim Überlandflug. Häufig wird nur ein Horizontal-Propeller verbaut.
  3. PK3 – Ein Teil der Propeller ist klappbar, die restlichen Propeller sind in vertikaler Position fest verbaut
    Diese Variante ist quasi eine Kombination aus 1 und 2. Die Vertikal-Propeller sorgen ausschließlich für Auftrieb beim Start, die Klapp-Propeller unterstützen beim senkrechten Start und sorgen für Vortrieb beim Überlandflug. Typischerweise sind die Vertikal-Propeller an der hinteren Flügelkante und die Klapp-Propeller an der vorderen Flügelkante montiert.
  4. PK4 – Alle Propeller haben eine vertikale Ausrichtung mit einem leichten Winkel (ca. 10 Grad) in Flugrichtung
    Die Vertikalpropeller ermöglichen einen senkrechten Start, über unterschiedliche Drehzahl an den vorderen und hinteren Propellern wird der Vortrieb ermöglicht. 

Vorteile der Variante PK1 (alle Propeller klappbar) sind eine höhere Reichweite und Geschwindigkeit, weil alle Propeller für Vortrieb sorgen.
Nachtteilig ist ein höherer technologischer Aufwand für den Klappmechanismus sowie die Tatsache, das die Transition, also der Übergang vom vertikalen Steigflug in den Vorwärtsflug, nur über einen rampenartige Flugbahn möglich ist. 

Vorteile der Variante PK2 (alle Propeller in dedizierter Position) sind ein einfacherer Aufbau sowie die Möglichkeit, eine 90-Grad-Flugbahn bei der Transition vom vertikalen Steig- in den Vorwärtsflug zu fliegenNachteilig ist, dass die Vertikal-Propeller während des Vorwärtsflugs nicht benutzt werden, durch Ihr zusätzliches Gewicht und Luftwiderstand die Reichweite reduzieren. 

Variante PK3 (Kombination PK1 und PK2) ermöglicht auch das 90%-Aufstiegsmanöver, was einen Vorteil gegenüber PK1 darstellt. Die Anzahl der Klapp-Propeller ist höher als die Anzahl der Horizontal-Propeller bei PK2, was eine höhere Geschwindigkeit als bei PK2 ermöglicht. Demgegenüber steht der höhere Aufwand für den Klapp-Mechanismus.

Variante PK4 (Vertikalpropeller mit Neigungswinkel nach vorne) lässt sich technologisch am einfachsten und kostengünstig realisieren. Ähnlich wie bei Multicoptern gibt  außer den rotierenden Propellern keine beweglichen Komponenten. Nachteilig ist, das Neigungswinkel über die Querachse bei Start und Vorwärtsflug variiert, was einen Komfortverlust beim Fliegen darstellt. Diese Bauart kommt daher nur bei Senkrechtstartern für den privaten Luftverkehr zum Einsatz. 

Die Varianten PK1 – PK3 kommen bei den größeren, 4-6-sitzigen Fluggeräten zur Anwendung, die für den kommerziellen Luftverkehr entwickelt werden.

Die Variante PK4 findet sich ausschließlich bei den kleineren, 1-2-sitzigen Fliegern für Privatkunden. 

Unabhängig von der Konstruktionsart müssen alle Tragflächen-Senkrechtstarter den Übergang vom senkrechten Aufstieg zum Vorwärtsflug sicher beherrschen. 

Dieses Flugmanöver wird als Transitionsmanöver bzw. teilweise auch nur als Transition bezeichnet, die sichere Beherrschung dieses Manövers auch schwierigen Wetterbedingungen ist von zentraler Bedeutung für die Zertifizierung des eVTOL durch die Zulassungsstellen.  

Das Transitionsmanöver

Das Transitionsmanöver ist das wichtigste Flugmanöver für alle Senkrechtstarter. Es ist essentiell für einen sicheren Start und eine sichere Landung

Es beseht aus 3 Phasen und beinhaltet (1) den vertikalen Aufstieg, (2) den sukzessiven Übergang vom vertikalen Aufstieg in den Vorwärtsflug sowie (3) den Übergang vom Aufstiegs- in Vorwärtsflugs. 

Bei der Landung werden die Phasen in umgekehrter Richtung durchlaufen.

 

TransitionTrajectory-Release_Q3-2023 DEUTSCH

Abb. 4 – Transitionsmanöver tragflächen-basierte eVTOL  

Das Transitionsmanöver kann prinzipiell in 4 verschiedenen Flugbahnen erfolgen, die in der Abb. 2. dargestellt sind.   

Tragflächen-Senkrechtstarter mit Klapp-Propellern (PK1) können das Transitionsmanöver grundsätzlich nur in der Flugbahn FB1 durchführen:

  1. Beim Start stehen alle Propeller in vertikaler Position, so dass das Flugzeug senkrecht aufsteigen kann. 
  2. Ist eine gewisse Mindesthöhe erreicht, werden die Propller langsam von vorne geklappt. Das Flugzeug beginnt nun, sich zusätzlich nach vorne zu bewegen, es steigt jetzt in einem gewissen Winkel zur Erdoberfläche auf.
    Wichtig: Das nach vorne klappen der Propeller darf nicht zu schnell erfolgen, das Flugzeug würde abstürzen!
  3. Mit zunehmender Geschwindigkeit entstehen Auftriebskräfte an den Tragflächen, so dass die Propeller weiter nach vorne geklappt werden können.  
  4. Wenn eine gewisse Mindestgeschwindigkeit erreicht ist, bei der die Tragflächen für ausreichenden Auftrieb sorgen, werden die Propeller vollständig in die horizontale Positon geklappt.
 
 In diesem Video können Sie das Transitionsmanöver mit Flugbahn FB1 von Joby Aviation sehen.

Tragflächen-Senkrechtstarter mit fest montierten Vertikal- und Horizontal-Propeller (PK2) können das Transitionsmanöver sowohl in Flugbahn FB1 als auch FB2 fliegen:

  1. Beim Start drehen sich nur die vertikalen Propeller, so dass das Fluggerät senkrecht aufsteigen kann. 
  2. Ist eine gewisse Mindesthöhe erreicht, wird der Drehzahl der Vertikal-Propeller reduziert, so dass das Fluggerät wie ein Hubschrauber in der Luft steht.
  3. Nun werden zusätzlich die horizontalen Propeller gestartet, so dass das Fluggerät in eine Vorwärtsbewegung übergeht.
    Mit zunehmender Geschwindigkeit entstehen Auftriebskräfte an den Tragflächen, so dass die Drehzahl der vertikalen Propeller sukzessive reduziert werden kann. 
    Wichtig: Die Drehzahlreduktion an den Vertikal-Propellern darf nicht zu schnell erfolgen, weil das Flugzeug sonst abstürzen würde. 
  4. Wenn eine gewisse Mindestgeschwindigkeit erreicht ist, werden die vertikalen Propeller abgeschaltet.
 
 Im folgenden Video sehen Sie das Transitionsmanöver von Autoflight mit Flugbahn FB2. 

Tragflächen-Senkrechtstarter mit der Propeller-Konfiguration PK3 und PK4 können das Transitionsmanöver in beiden Flugbahnen fliegen.

Hier können Sie das Video vom Transitionsmanöver des PK3-eVTOL von Archer Aviation sehen.

PK4-eVTOL sind im Prinzip Multicopter mit Flügeln, hier efolgt die Flugsteuerung ausschließlich über die Drehzahl der Propeller. Bispielhaft sehen in hier das Video vom Aufstiegsmanöver des AIR One.  

Ob die Fähigkeit, das Transitionsmanöver in einem 90-Grad-Winkel fliegen zu können, einen Wettbewerbsvorteil darstellt, fällt uns schwer zu beurteilen. In einer sehr städtischen Umgebung mit vielen Hochhäusern könnte dieses der Fall sein.

Tragflächen-eVTOL für den kommerziellen Luftverkehr - Amerika

Die USA bzw. insbesondere der Bundesstaat Kalifornien sind gewissermaßen der Hot-Spot für Start-ups, dementsprechend wurden die meisten Firmen für Tragflächen-Senkrechtstarter hier gegründet. 

Abb. 5 – Flugmodell von Joby Aviation   |   ALIA-250 von Beta Technologies   |   Midnight von Archer Aviation
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of    (1) 
Joby Aviation. (c) [Media Kit]   |   (2) Beta Technologies Inc. [Media Kit]   |   (3) Archer Aviation Inc. [Media Kit])  

Die US-Firmen Joby AviationBeta Technologies und Archer Aviation sind in Ihrer Entwicklungspipeline schon relativ weit fortgeschritten und arbeiten bereits mit flugfähigen, seriennahen Prototypen. 

Die 3 Start-ups nutzen unterschiedliche Propeller-Konfiguration (PK1 bei Joby, PK2 bei Beta, PK3 bei Archer), wie in Abb. 5 zu sehen ist (Zur Vergrößerung anklicken). 

Auch hinsichtlich Kommerzialisierung setzen dieses Start-ups Maßstäbe. Joby und Archer haben Partnerschaften mit renommierten amerikanischen Fluggesellschaften aufgebaut, den zukünftigen Abnehmern Ihrer Produkte.

  • Joby ist mit Delta Airlines in Kontakt, die sich auch mit 60 Millionen $ an Joby beteiligt haben, mit der Option, diese Beteiligung auf 200 Millionen $ zu erhöhen.
  • Archer hat sich American Airlines verbündet, das eine Absichtserklärung zur Beschaffung von 200 Midnight-Flugzeugen unterzeichnet hat.
  • Beta Technologies avisierte Kunden sind u.a. der Paketdienstleister UPS sowie ein Pharmaunternehmen (Transport kritischer Medikamente und Spenderorgane).        

Damit haben die 3 Firmen gegenüber den anderen Start-ups gute Chancen im Wettbewerb, allerdings ist mit einem Verkauf von Flugzeugen in nennenswerter Stückzahl frühestens in 2025 zu rechnen. Die Unternehmen müssen also noch mindestens 2 Jahre mit hohen Aufwänden auf der Ausgabenseite und einem geringem Ertrag auf der Einnahmenseite rechnen.

Abb. 6 – Butterfly von Overair    |   GEN6 von Wisk Aero   |   Jaunt-Flugmodell   |   Flugmodell von EVEAir Mobility
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of    (1) Overair Inc. 
[Homepage]   |   (2) Wisk Aero LLC.  [Media Kit]   |   (3) Jaunt Air Mobility LLC. [Homepage])   |   (4) EVE Holding, Inc. [Homepage])  

Die US-Firmen Overair und Wisk Aerodas kanadische Start-up Jaunt und die brasilianische Firma EVE Air Mobility sind noch in der Konzeptphase und verfügen noch über keine flugfähigen, seriennahen Prototypen. 

Die technologisch Ansätze unterscheiden sich deutlich voneinander, wie Sie in Abb. 6 sehen können.

Overair setzt mit seinem Modell Butterfly auf nur 4 Klapp-Propeller (Propeller-Konfiguration PK1), die mit einem Durchmesser von 6 m ungewöhnlich groß ausfallen. Dadurch soll die Effizienz gegenüber Modellen mit vielen kleineren Propellern erhöht werden. Das Propellersystem ist keine Neuentwicklung sondern wurde in Technologieprogrammen des DoD (Department of Defence) und der NASA entwickelt.

Wisk Aero ist ein Joint-Venture von Boeing und Kitty Hawk, mit seiner Kombination von Vertikal- und Klapp-Propellern (Propeller-Konfiguration PK3) ist das GEN6 genannte Flugzeug an das Modell „Midnight“ von Archer Aviation angelehnt.  

Das von Jaunt entwickelte Fluggerät erinnert mit seinem großen Vertikalrotor an einen Hubschrauber (Propeller-Konfiguration PK2). Im Gegensatz zu einem klassischen Hubschrauber ist der Vertikalrotor nur für den senkrechten Start und nicht für den Vortriebsflug erforderlich.

EVE Air Mobility wurde brasilianischen Flugzeughersteller Embraer gegründet, das in verschiedenen News skizzierte Flugmodell setzt ähnlich wie Beta Technologies auf dedizierte Vertikal- und Horizontal-Propeller (Propeller-Konfiguration PK2).         

Über die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten dieser 4 „Nachzügler“ können wir nur spekulieren. 

Als Tochterfirma von Embraer, einem etablierten Flugzeugbauer, hat EVE Air potentiell gute Zukunftsaussichten, zumal nach Angaben von EVE bereits eine vierstellige Anzahl von Vorbestellungen für das Flugzeug von EVE vorliegen. 

In Brasilien gibt es definitiv einen Markt für elektrische Senkrechtstarter. Insbesondere in der von einem chronischen Verkehrsstau geplagten Wirtschaftsmetropole Sao Paulo, die als Stadt mit den meisten innerstädtischen Hubschrauber-Flügen gilt. Bei den meisten Bürohäuser ist der Hubschrauber-Landeplatz auf dem Dach Standard.

Auch Wisk Aero ist eine Tochterfirma eines Flugzeugbauers. Allerdings steckt Boeing seit den Abstürzen der beiden 737 Max in einer finanziellen Krise. Der 2. Joint-Venture-Partner von Wisk, Kitty Hawk, hat im September 2022 seine Geschäftstätigkeit eingestellt, was dieses in der Gesamtsituation für Wisk Aero bedeutet, bleibt abzuwarten.

Für Overair spricht, das einer der Gründer, Abe Karem, auf über 50 Jahre Erfahrung im Luftfahrtsektor verweisen kann. Mit der südkoreanischen Firmengruppe Hanwa, die mit 145 Millionen $ an Overair beteiligt ist, wurde auch ein renommierter Investor gefunden.

Jaunt wurde mittlerweile von der US-amerikanischen Luftfahrt-Firma AIRO Group aufgekauft, so dass die finanzielle Situation von Jaunt aktuell kein Problem darstellt. Inwieweit die sehr spezielle Technik mit einem einzigen Rotor von Vorteil ist, bleibt abzuwarten.

Tragflächen-eVTOL für den kommerziellen Luftverkehr - Europa und Asien

Auch in Europa und Asien wurden Start-ups für Tragflächen-Senkrechtstarter gegründet.

Abb. 7 – Lilium Jet   |   VX4 von Vertical Aerospace   |   „Prosperity I“ von Autoflight
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of    (1) Lilium GmbH
 [Media Kit]   |   (2) Vertical Aerospace Group Ltd. [Press Release]   |   (3) Autoflight Limited [Homepage]))  

Die deutsche Firma Lilium, das chinesische Unternehmen Autoflight und das englische Start-up Vertical Aerospace testen bereits seriennahe Prototypen, wie Sie in Abb. 7 sehen können.  

Die in München gegründete Firma Lilium setzt bei Ihrem als „Lilium Jet“ bezeichneten Modell auf ummantelte Propellern (Propeller-Konfiguration PK1), die im Prinzip elektrische Turbinen (eTurbine) darstellen. Durch die Ummantelung werden Luftverwirbelungen an den Propellerspitzen und damit Reibungsverluste vermieden. 

Der Lilium Jet hat schon eine Vielzahl von Testflügen inklusive dem kritischen Transitionsmanöver absolviert, mit seinen 6 Sitzen (Passagiere) gehört er zu den größten eVTOL-Flugzeugen weltweit.

Vertical Aerospace ist ein britisches Start-up, das seriennahe Flugmodell VX4 kombiniert Klapp- und Vertikalpropeller ähnlich wie Archer Aviation (Propeller-Konfiguration PK3); die Serienproduktion soll 2025 starten. 

Im August 2023 kam es bei einem unbemannten Erprobungsflug zu einem Unfall. Dabei sollte die Flugtauglichkeit bei Ausfall eines Motors getestet werden.

Das Modell der chinesischen Firma Autoflight verfügt über dedizierte Vertikal- und Horizontalpropeller (Propeller-Konfiguration PK2). 

Autoflight strebt eine weltweiten Vertrieb an, für die europäische Flugzulassung, die für 2025 geplant ist, wurde am Augsburger Flughafen eine deutsche Tochtergesellschaft gegründet. Testflüge in Deutschland mit dem seriennahen Flugmodell „Prosperity I“ sind für 2023 geplant.

Über die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten dieser 3 Kandidaten können wir nur mutmaßen, wobei bei keinem der Hersteller mit einer Serienproduktion vor 2025 zu rechnen ist. 

Lilium wird seit August 2022 von einem ehemaligen Airbus-Manager geleitet, der einen intensiveren Blick auf die Kostensituation hat. Das ursprüngliche Geschäftsmodell von Lilium sah eine Art Ride-Sharing-Service zu Taxipreisen vor. 

Mittlerweile ist angedacht, Kurzstreckenflüge für Geschäftskunden oder solvente Privatpersonen zu deutliche höheren Preisen anzubieten. Der Lilium-Jet  soll auch an Fluggesellschaften verkauft werden, Vorbestellungen liegen bereits vor. Mit der Kapazität von 6 Passagieren hat der Lilium Jet einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil.

Zu den Investoren von Vertical Aerospace gehören Fluggesellschaften wie American Airlines und Virgin Airlines. Für Komponenten-Entwicklung sind namhafte Flugzeug-Lieferanten beauftragt, so z.B. Rolls-Royce für das Antriebssystem Triebwerkhersteller und Honeywell für das Flight Control System. Bereits 2021 sollen über 1000 Vorbestellungen vorgelegen haben.

Autoflight setzt auf einen weltweites Team, bei dem nach eigenen Angaben chinesische Produktionstechniken mit deutschen Engineering und einem  amerikanischen Vertrieb kombiniert werden, was prinzipiell vielversprechend klingt. 

Abb. 8 – Concept Vehicle von Supernal Aero
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of 
Supernal. [Media Kit])

Abb. 9 –  eVTOL Modell von Pantuo Aviation
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of Pantuo Aviation [Homepage])

Die koreanische Firma Supernal Aero und das chinesische Start-up Pantuo Aviation sind noch in einer frühen Entwicklungsphase.

Supernal Aero ist ein Tochterfirma des koreanischen Autohersteller Hyundai, vom dem Flugmodell sind bisher nur wenige technischen Details bekannt. 

Auf der Homepage ist sogenanntes Concept Vehicle als Graphik mit einer Tragfläche und einem V-Leitwerk dargestellt. An der Tragfläche befindet pro Seite ein Längsträger, an dem vorne 1 Klapp-Propeller und hinten 2 Vertikal-Propeller zu sehen sind (Propeller-Konfiguration PK2).  An dem hinteren V-Leitwerk befindet sich auf jeder Seite 1 weiterer Klapp-Propeller. Ob dieses „Concept Vehicle“ bereits das finale Design darstellt, bleibt abzuwarten. 

Auf der Farnborough Airshow 2022 in Großbritannien hat Supernal ein Kabinenmodell vom „Concept Vehilce“ ausgestellt, augenscheinlich wird die Passagierkapazität bei 4 Personen plus 1 Pilot liegen, die Flugebetrieb soll 2028 starten.   

Pantuo Aviation entwickelt ein Flugmodell mit vielen Ähnlichkeiten zum Lilium Jet, in einer Pressemeldung vom 30.11.2021 wird Pantuo sogar explizit als chinesische Antwort auf Lilium bezeichnet. 

Das Flugmodell von Pantuo hat eine vordere, kleinere Tragfläche vor dem Cockpit (Entenflügel) und eine hintere, größere Tragfläche am Heck. Auf beiden Flügel sind in Summe 22 elektrische Turbinen montiert, die im Vergleich zu Lilium einen größeren Durchmesser haben. Die Flügel sind von vertikal nach horizontal klappbar (Propeller-Konfiguration PK2), auch hier unterscheidet sich Pantuo-Modell vom Lilium Jet, bei dem die Flügel selbst fest stehen und nur die elektrischen Turbinen am hinteren Teil der Tragfläche geklappt werden. 

Allerdings sind die aktuellsten News auf der Homepage von Pantuo von 2021, insofern ist unklar, ob das Unternehmen noch an dem eVTOL-Modell arbeitet.

Tragflächen-eVTOL für Privatkunden

Abb. 10 – BlackFly von Opener  |   AXE von Skyfly   |   AIR ONE von AIR
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of    (1) 
Opener, LCC [Homepage]   |   (2) Skyfly Technologies Ltd. [Homepage]   |   (3) AIR VEV Ltd. [Press Kit])  

Die Start-ups Opener (USA), Skyfly Technologies (UK) und AIR (Israel) entwickeln Flugzeuge für den Privatkunden und arbeiten bereits an den seriennahen Prototypen. 

Die technologischen Ansätze sind ähnlich, wie Sie in Abb. 10 sehen können. 

Die Flugmodelle sind vergleichsweise klein und haben jeweils einen Front– und einen Heckflügel, alle Modelle sind mit Vertikalpropeller vorne und hinten ausgestattet, die leicht in Flugrichtung geklappt sind (Propeller-Konfiguration PK4). 

Die Flugsteuerung erfolgt bei dieser Bauart ausschließlich über die Steuerung der Propellerdrehzahl, d.h. es gibt keine Seiten-, Höhen- oder Querruder. 

Das einsitzige Modell von Opener nennt sich BlackFly, es hat eine von 32 km (20 Meilen), die Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h (60 mph) und ist elektronisch begrenzt, um die Ultra-Light-Vehicle-Spezifikation in den USA zu erfüllen. 

Damit darf BlackFly in den USA ohne Pilotenschein und Registrierung geflogen werden. Der Preis sowie der Termin für den Verkaufsstart stehen noch nicht fest, allerdings können sich Interessierte Kunden bereits in eine Mailing- Liste eintragen.

Skyfly entwickelt ein zweisitziges Flugzeug namens Axe mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h (100 mph) und einer Reichweite von 160 km (100 Meilen). 

Mit diesen Leistungsdaten fällt Axe in den USA nicht mehr unter die Ultralight Vehicle Regulation, d.h. das Flugzeug kann nur mit einem Pilotenschein geflogen werden. Axe kann bereits heute bestellt werden, der Basispreis beträgt aktuell 150.000 Pfund netto. Stand Mitte Januar 2023 wurden bereits 23 Flugzeuge reserviert, die Auslieferung ist ab 2024 geplant

AIR entwickelt ein zweisitziges Flügelzeug namens AIR ONE, die Reichweite liegt bei 177 km (110 ml) und die Höchstgeschwindigkeit bei 250 km/h (155 mph), mit diesen Leistungsdaten ist auch in den USA ein Pilotenschein erforderlich. 

Der Verkaufsstart ist für 2024 geplant, Zielmärkte sind die USA, Europa, Australien und Israel. Der Einstiegspreis liegt aktuell bei 150.000 $, bereits 150 Kunden sollen eine Anzahlung getätigt haben.

Flugautos mit der Technologie von Tragflächen-Senkrechtstartern

Das kalifornische US-Start-up ASKA Fly arbeitet an einem amerikanischen Traum aus den 1950-er Jahren, dem Flugauto! Das Modell wurde auf der CES im Januar 2023 in Las Vegas vorgestellt und nennt sich ASKATM A5 (Abb. 10).  

  • Bei der Fahrt auf der Straße hat ASKATM A5 – mit eingeklappten Flügeln – den Platzbedarf eines amerikanischen SUV, angetrieben wird es dabei von 4 Radnabenmotoren
  • Für den Flugbetrieb können die beiden Flügel ausgeklappt werden, diese sind mit 2 schwenkbare und 4 feste vertikale Propellern ausgestattet (Propeller-Konfiguration PK2). Die Kapazität liegt bei 4 Personen (3 Passagiere plus 1 Pilot), die Reichweite beträgt mit Range-Extender 400 km (250 Meilen) bei einer Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h (150 mph).
  • Die Zertifizierung soll bis 2025 erfolgen, die Serienproduktion 2026 starten. 

Fig. 11 – ASKA(TM) A5 auf Flugfeld 
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of ASKA/NTF Inc. Ltd. [Homepage])

Fig. 12 – ASKA(TM) im Straßenverkehr 
(Mit freundlicher Genehmigung/Courtesy of ASKA/NTF Inc. Ltd. [Homepage])

Auf der Homepage von ASKA ist ein faszinierendes, animiertes Video von einem Einsatz des Flugautos zu sehen. Nach einer kurzen innerstädtischen Fahrt im Umfeld des Silicon Valley erreicht der A5 einen kleinen Parkplatz. Dort werden die Flügel ausgeklappt und der A5 hebt ab und die Reise wird in der Luft fortgesetzt.

Ob diese Vision von ASKA – bei allen offenen Fragen bzgl. Zulassung und Sicherheit   in den nächsten Jahren Wirklichkeit werden kann, können wir in der Redaktion auch nicht beantworten.

In jedem Fall steht ASKA exemplarisch für den ungebrochenen Optimismus des Silicon Valley!